Wenn du den ganzen Tag damit verbracht hast, dein Baby zu stillen, zu halten, zu wiegen oder zu tragen, und jetzt der Gedanke an noch ein Kuscheln dich dazu bringt, dass du aus deiner Haut kriechen möchtest – wir verstehen dich. Dieses Gefühl, erschöpft zu sein, ist real, berechtigt und häufiger, als du vielleicht denkst. Es ist in Ordnung, wenn du einen Moment für dich brauchst. Du bist damit nicht allein.
Stell dir deine Kapazität für körperliche Berührung wie eine Tasse vor. Jedes Kuscheln mit deinem süßen Baby, jede Stillzeit, jeder Moment des Tragens oder Schaukelns nimmt einen kleinen Schluck aus dieser Tasse. Am Ende des Tages könnte deine Tasse vollständig leer sein. Dies spiegelt nicht deine Liebe zu deinem Baby wider. Dein Körper und Geist sagen dir einfach, dass sie eine Pause brauchen. Wenn du dich von körperlicher Berührung überfordert fühlst, heißt das nicht, dass du dein Baby weniger liebst. Es bedeutet, dass dein Geist und dein Körper an ihre Grenzen gestoßen sind. Wie bei jeder anderen Art von Erschöpfung ist es wichtig, auf diese Signale zu hören.
Fang klein an. Schon fünf Minuten körperliche Distanz können helfen, deinen Berührungsmesser zurückzusetzen. Versuche Folgendes:
Dusche allein, während dein Partner auf das Baby aufpasst
Geh alleine nach draußen und nimm drei tiefe Atemzüge.
Sitze in einem anderen Raum, während das Baby schläft.
Gehe allein die Post holen.
Dehne dich in einer ruhigen Ecke.
Diese kleinen Momente können dir den körperlichen und mentalen Neustart verschaffen, den du brauchst. Sie müssen nicht lang oder aufwendig sein; ein kleiner Schritt zurück kann deinem Geist den nötigen Freiraum verschaffen. Der Schlüssel ist, zu erkennen, wann du Freiraum brauchst, und entsprechend zu handeln, egal wie klein der Moment auch erscheinen mag.
Untersuchungen zeigen, dass körperliche Berührungen zwar für die Bindung unerlässlich sind, aber bei zu viel davon tatsächlich eine Reaktion unseres Nervensystems ausgelöst werden kann. Selbst positive Berührungen können bei ständiger Wiederholung zur Belastung werden. Dein Bedürfnis nach Freiraum ist nicht nur eine Kopfsache, sondern eine echte physiologische Reaktion. Studien haben ergeben, dass der Körper bei zu viel körperlicher Stimulation ohne ausreichende Pausen Stresshormone freisetzt, was zu einem erhöhten Gefühl von Angst und Anspannung führen kann. Wenn man sich nicht ausreichend Zeit zum Regenerieren nimmt, kann dies mit der Zeit zu einem Burnout führen.
Dein Körper ist auf Verbindung ausgelegt, aber auch auf Ruhe und Erholung. Wenn du dir Raum gibst, geht es nicht darum, dein Baby abzulehnen, sondern vielmehr darum, deine eigene emotionale Gesundheit zu fördern. Du kannst nicht leeren Krügen schenken, und deshalb ist es so wichtig, dass du dir die Erlaubnis gibst, eine Pause einzulegen, wenn du dich „overtouched“ fühlst.
Es ist für dein eigenes Wohlbefinden, aber auch für deine Beziehungen unerlässlich, dass du dein Bedürfnis nach Freiraum zum Ausdruck bringst. Beginne damit, mit den Menschen in deinem Umfeld klar zu kommunizieren:
Sage deinem Partner: „Ich bin überfordert und brauche ein paar Minuten Freiraum.“
Teile älteren Kindern mit: „Mama braucht eine kurze Auszeit.“
Erinnere dich selbst daran: „Wenn ich mir Freiraum nehme, bin ich ein besserer Elternteil.“
Wenn du dein Bedürfnis nach Freiraum zum Ausdruck bringst, hilft das nicht nur anderen, dich zu verstehen, sondern gibt dir auch die Erlaubnis, deine eigene Gesundheit in den Vordergrund zu stellen. Selbstfürsorge ist ein wichtiger Teil der Elternschaft, und es ist in Ordnung, zu sagen, dass man Zeit braucht, um neue Energie zu tanken.
Achte auf deine ersten Warnsignale. Wenn du dich überfordert fühlst, mache tagsüber kleine Pausen. Wechselt zwischen verschiedenen Arten von Berührungen und teilt euch die Pflichten, wenn möglich. Es ist auch wichtig, regelmäßige Momente für sich selbst einzuplanen, auch wenn es nur ein paar Minuten sind. Ein proaktiverer Ansatz hilft dir, deine Berührungskapazität im Laufe der Zeit zu verwalten, anstatt dich auf einmal ausgebrannt zu fühlen.
Bestimme gewisse Bereiche deines Zuhauses zu deinen persönlichen Rückzugsorten. Das kann dir helfen, immer wieder Ruhe zu finden und dir die Erlaubnis zu geben, für einen Moment zu entkommen. Zu den Ideen gehören:
Einen Stuhl als persönlichen Rückzugsort zu behalten.
Eine kleine Selbstpflegestation im Badezimmer einzurichten.
Einen ruhigen Platz auf der Veranda oder dem Balkon einzurichten.
Eine bestimmte Ecke in deinem Schlafzimmer zu haben, die berührungsfrei ist.
Diese berührungsfreien Zonen können dir helfen, die Kontrolle über deine Umgebung zu behalten und eine dringend benötigte mentale Pause von den Anforderungen körperlicher Berührung zu schaffen.
Wenn du dich überfordert fühlst, versuche es mit einfachen Maßnahmen, die sofortige Linderung verschaffen können:
Wasche dein Gesicht mit kaltem Wasser.
Zieh dich um, um dich frisch zu fühlen.
Strecke deine Arme weit aus, um Verspannungen zu lösen.
Schüttle deine Hände und Füße aus, um das ausgelaugte Gefühl abzuschütteln.
Atme zehnmal langsam ein und aus, um dein Nervensystem zurückzusetzen.
Diese Maßnahmen können einen kurzen Moment der Klarheit und Ruhe bieten und dir helfen, dich im Chaos des Elternseins wieder geerdet zu fühlen.
Viele Eltern fühlen sich schuldig, weil sie Freiraum brauchen. Sie denken vielleicht, dass das bedeutet, dass sie nicht genug tun oder ihr Kind irgendwie ablehnen. Aber es ist wichtig, sich daran zu erinnern: Sich um sich selbst zu kümmern, ist nicht egoistisch, sondern notwendig. Genauso wie dein Baby Pausen zwischen den Reizen braucht, brauchst du Momente, um deine Berührungskapazität wiederherzustellen. Schuldgefühle sollten deinem Wohlbefinden nicht im Wege stehen. Ein ausgeruhter, emotional ausgeglichener Elternteil ist auf lange Sicht ein besserer Elternteil.
Du kannst dein Kind uneingeschränkt lieben und trotzdem körperlichen Abstand brauchen. Wenn du dir Zeit nimmst, um dich zu erholen, bist du kein weniger liebevoller Elternteil – du bist ein präsenterer Elternteil, wenn du zurückkehrst. Wenn du deine eigenen Bedürfnisse erkennst und sie respektierst, kannst du deinem Kind auf die bestmögliche Weise zur Seite stehen.
Manchmal ist es einfach nicht möglich, Abstand zu gewinnen. Konzentriere dich in diesen Momenten darauf, einen mentalen oder emotionalen Reset zu finden. Hier sind einige Ideen:
Konzentriere dich auf deine Atmung und verlangsame sie.
Stelle dir eine schützende Blase um Teile deines Körpers vor, die dich vor weiterer Überforderung schützt.
Wechsle die Position oder den Ort, um deine Umgebung zu verändern.
Passe an, wie du das Baby hältst (vielleicht trägst du das Baby, anstatt es zu halten).
Ändere die Art der Berührung (z. B. sanftes Streicheln statt Halten).
Diese kleinen Veränderungen in deiner Perspektive oder deinem Umfeld können dir den nötigen Neustart verschaffen, auch wenn dir ein physischer Abstand nicht möglich ist.
Dein Bedürfnis nach physischem Abstand kann schwanken. An manchen Tagen wirst du das Kuscheln brauchen. An anderen Tagen brauchst du mehr Pausen. Beides ist völlig normal. Der Schlüssel liegt darin, deine Bedürfnisse zu erkennen und zu respektieren, ohne sie zu bewerten. Vertraue darauf, dass es in Ordnung ist, sich von Tag zu Tag anders zu fühlen, und dass du dadurch kein schlechter Elternteil bist.
Elternschaft ist eine Reise des Wachstums, und ein Teil dieses Wachstums besteht darin, zu lernen, wie man sich inmitten der Anforderungen der Kinderbetreuung um sich selbst kümmert. Nimm die Veränderungen, die Ebbe und Flut an und sei dir bewusst, dass sie Teil der schönen, turbulenten Reise sind.
Wähle heute eine kleine Möglichkeit, um dir physischen Freiraum zu schaffen. Vielleicht sind es drei Minuten allein im Badezimmer oder Dehnübungen, während dein Baby auf seiner Matte spielt. Fange dort an, wo du bist, mit dem, was du hast. Dein Körper braucht Freiraum. Deine Gefühle sind berechtigt. Und wenn du dich um dich selbst kümmerst, kannst du dich besser um dein Kind kümmern.
1. Campoamor D. What does it mean to be ‘touched out’? Moms, experts explain. TODAY.com. 2023. Available from: https://www.today.com/parents/moms/touched-out-meaning-rcna105047 [Accessed 11 Mar 2025]., https://www.today.com/parents/moms/touched-out-meaning-rcna105047
2. van Raalte LJ, Burke TJ, DeGroot JM, Mellow AJ. Examining changes in affection and “Feeling touched out” after the birth of a child. J Fam Commun. 2023;23(1):52-62. doi:10.1080/15267431.2022.2142229., https://doi.org/10.1080/15267431.2022.2142229